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Offizielle Gedenkstunde des Rhein-Sieg-Kreises zum 78. Jahrestag der Novemberpogrome am 9. November 2016 Quelle: Rhein-Sieg-Kreis
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Offizielle Gedenkstunde des Rhein-Sieg-Kreises zum 78. Jahrestag der Novemberpogrome am 9. November 2016 Quelle: Rhein-Sieg-Kreis

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Melissa Quint ist eine Enkelin von Willi Kessler, der als einziger der Familie das Vernichtungslager Auschwitz und den Todesmarsch nach Buchenwald überlebt hat. Die Oberstufenschülerin des Anno-Gymnasiums in Siegburg hat gemeinsam mit Ihrer Religionslehrerin, Schulpfarrerin Annette Hirzel die Geschichte Ihres Großvaters aufgearbeitet und trug diese anlässlich der Gedenkstunde in Worten und Bildern sehr persönlich vor.

Notburga Kunert, stellvertretende Landrätin des Rhein-Sieg-Kreises, eröffnete die Veranstaltung an der Gedenkstätte in Rosbach: „Wir sind nicht hier, um zu richten, sondern zum Gedenken und Mahnen. Daher ist es wichtig – gerade wo vielerorts wieder rechtspopulistische Sprüche Gehör finden – zu erklären, dass jeder Mensch die gleiche Würde besitzt, unabhängig von Herkunft, Glaube oder Hautfarbe.“ Die Auseinandersetzung von Melissa Quint mit Ihrer Familiengeschichte empfand die Vizelandrätin als ganz besondere und nachahmenswert: „Es ist enorm wertvoll, wenn gerade auch junge Leute die Geschichte der NS-Zeit untersuchen – durch Begegnungen mit Zeitzeugen oder auch Besuchen von Gedenkstätten.“ Im Anschluss warnte der zweite Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“, Harald Eichner: „Die Abwertung, Ausgrenzung und Stigmatisierung von Flüchtlingen oder von Andersdenkenden gleicht dem, was in der NS-Zeit zu den Ereignissen des 9. November und letztlich zum Völkermord geführt hat.“ und leitete damit den Vortrag von Melissa Quint ein.

Hier griff die Schülerin mehrfach auf ein Zitat ihres Großvaters zurück: „Einer muss überleben!“ Diese Worte hielten ihn die ganze Zeit über, selbst als er nur noch 35 kg wog, am Leben. Als sie am Ende ihres Vortrages ein Gedicht ihres Opas „Auschwitz – warum?“ vorliest, in dem er mit Auschwitz abschließen möchte und sich von seiner ermordeten Familie verabschiedet, sind die annähernd 70 Besucher der Gedenkstunde tief berührt und ergriffen.

Alljährlich gedenkt der Rhein-Sieg-Kreis seit 2002 der Novemberpogrome von 1938 in der Gedenkstätte der „Landjuden an der Sieg“ in Windeck-Rosbach. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in ganz Deutschland, so auch im Gebiet des heutigen Rhein-Sieg-Kreises, Synagogen durch Angehörige der SS und SA zerstört und in Brand gesteckt. Der 9. November 1938 ist eines der düstersten Ereignisse der deutschen Geschichte: Über 1.400 Synagogen oder Betstuben sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Ca. 30.000 Jüdinnen und Juden wurden in Konzentrationslagern inhaftiert, Hunderte von ihnen wurden ermordet oder starben an den Haftfolgen.

Die furchtbaren Ereignisse markierten den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Jüdinnen und Juden zur systematischen Verfolgung, die in den Holocaust an den europäischen Jüdinnen und Juden mündete. Für die meisten von ihnen gab es – anders als für den Großvater von Melissa Quint – kein Zurück aus den Konzentrationslagern, für sie war es der letzte Weg: Die Terrorherrschaft und die antisemitische Gewalt haben das Leben von sechs Millionen Jüdinnen und Juden in ganz Europa ausgelöscht.